Nachod, Hans, 1883-1965

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geb. am 2. Juli 1883 in Wien, Österreich-Ungarn/heute: Österreich, gest. am 29. Juli 1965 in London, Großbritannien, Opernsänger (Tenor), Gesangslehrer, Vortragender, Geschäftsmann.

Biographie
Hans Nachod, geb. am 2. Juli 1883 in Wien, war eins von drei Kindern von Friedrich (Fritz) Nachod und Josephine (Josefa) Nachod, geb. Eisenschitz. Der Vater stammte aus einer alteingesessenen Prager jüdischen Familie, die viele Generationen von Kantoren an der Prager Hauptsynagoge Altneuschul hervorgebracht hatte (StuckenschmidtHH 1974, S. 16), war aber bereits als Kind mit der Familie nach Wien gezogen. Er war weitgereist und liebte Lyrik, schrieb auch selbst Gedichte. Seine Schwester Pauline heiratete 1870 Samuel Schönberg; ihr ältester Sohn wurde der Komponist Arnold Schönberg, um den sich der Onkel Fritz Nachod sehr kümmerte und mit dem sein Sohn Hans zeitlebens engen Kontakt hatte.

Hans Nachod lernte schon auf der Volksschule den ein Jahr älteren Heinrich Jalowetz kennen, mit dem er nicht nur während der Schulzeit – beide besuchten anschließend das Gymnasium in der Sperlgasse – befreundet war, sondern auch einen großen Teil ihrer Engagements als Musiker gleichzeitig an denselben Institutionen (so in Prag und Stettin) verbrachten. Über seine Gesangsausbildung ist nichts bekannt. Sein erstes Engagement hatte Nachod an der Volksoper in Wien (1907-1910) unter Alexander von Zemlinsky, dann ging er für zwei Jahre nach Mainz und anschließend als erster Heldentenor nach Kiel. Ob er zum Kriegsdienst einberufen wurde, ist unbekannt; im „Deutschen Bühnenjahrbuch“ (DBJ 1915 ff.) ist er in den Jahren 1915-1917 nicht registriert. 1918-1923 war er am Neuen deutschen Theater in Prag engagiert (wieder unter Zemlinsky), 1924-1925 an den Städtischen Bühnen in Stettin. Daneben gab Nachod Gastspiele in Graz, München, Berlin, Köln und Amsterdam. Auch als Konzertsänger trat er auf und setzte sich u. a. im Ansorge-Verein für zeitgenössische Musik ein. So sang er den Waldemar in seines Vetters Schönberg „Gurreliedern“, und zwar sowohl 1910 bei der Uraufführung nur des ersten Teils in Anton Weberns Bearbeitung für zwei Klaviere achthändig als auch bei der Uraufführung des ganzen Werkes in der Orchesterbesetzung, die Franz Schreker 1914 in Leipzig leitete, ebenso auch noch bei späteren Aufführungen.

Nachdem er 1925/1926 am Stadttheater in Außig a. d. Elbe (Nordböhmen) engagiert gewesen war (DBJ 1915 ff., Jg. 1926, S. 731), scheint er nicht mehr in einem festen Engagement gewesen zu sein; jedenfalls ist er zwar im „Deutschen Bühnenjahrbuch“ von 1927 noch mit dem Sängerberuf im Register ausgewiesen, aber in den Jahren danach fehlt sein Name auch dort. Über seine berufliche Tätigkeit in dieser Zeit ist daher nichts bekannt, ebenso wenig, ob er bereits seit 1927 wieder in Wien lebte. Seine Angabe, er habe zwölf Jahre unter Zemlinsky gesungen, lässt sich nicht nachvollziehen (NachodH 1952). 1932 ist er jedenfalls im Einwohnerverzeichnis von Wien nachweisbar. 1937-1938 wohnte er in der Salesianergasse 7.

Wenige Tage nach dem „Anschluss“ Österreichs an das „Dritte Reich“ bat Nachod seinen Vetter Arnold Schönberg, der bereits seit 1933 im USA-Exil lebte, um ein Affidavit. Doch Schönbergs Affidavit reichte nicht aus, weil die Zahl der Affidavits, die er bereits garantiert hatte, im Verhältnis zu seinen Einkünften zu groß war. Daher besorgte er für Nachod im September ein zweites Affidavit von Ralph Rainger, einem Komponisten aus der Filmbranche (Nono-SchoenbergN 1992, S. 343). Inzwischen hatte Nachod nach Aufforderung durch die Vermögensverkehrsstelle des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit seine Briefmarkensammlung an die Devisenstelle der Reichsbankhauptstelle zwangsverkaufen müssen (ÖStA NachodH, Vermögensanmeldung). Nachod soll auch zweimal von den Nazis für kurze Zeit verhaftet worden sein und befürchtet haben, in ein Konzentrationslager eingewiesen zu werden. Daher wollte er so schnell wie möglich die „Ostmark“ verlassen und beantragte ein Visum für die Tschechoslowakei. Er erhielt es Ende August und fuhr am 15. Sept. 1938 nach Prag (KimmeyJA 1979, S. 54). Dorthin wurde ihm das US-amerikanische Affidavit nachgesandt, nachdem bereits die deutschen Truppen ins Sudetenland einmarschiert waren. Am 16. Jan. 1939 durfte er nach England einreisen, weil durch sein Affidavit von Rainger deutlich wurde, dass er in die USA weiterreisen wollte (KimmeyJA 1979, S. 50-51). Aber dieser Plan ließ sich nicht realisieren, weil der amerikanische Konsul in London die Visa für nicht überzeugend hielt und einen „Freundschaftsbrief“ verlangte, in dem noch einmal die Unterstützung für Nachod glaubhaft versichert wurde (KimmeyJA 1979, S. 51). Entweder bekam Nachod solch einen Brief erst 1940 oder gar nicht, jedenfalls verlangte der Konsul ein zweites Affidavit (KimmeyJA 1979, S. 55). Am 28. Mai 1940 berichtete Nachod seinem Vetter immer noch aus London, wo er in Flat 4, 56 West End Lane, London N. W. 6 wohnte, er lebe jetzt von der Unterstützung durch das tschechische Komitee. Seine Pension vom Deutschen Theater in Prag, die er anfangs bezogen hatte, wurde seit dem Einmarsch der Nazis in Prag nicht mehr ausbezahlt, und anscheinend reichte auch das Permit für „gewisse Geschäfte, die ich aus Deutschland mitbrachte“ (KimmeyJA 1979, S. 54), nicht für den Unterhalt aus. Die fünfmonatige Internierung im Camp Hutchinson auf der Isle of Man, wo er auf Egon Wellesz traf, kappte auch noch seine geringen Verdienstmöglichkeiten. Spätestens seit Anfang 1941 lebte er in Kendal (Westmorland) im Lake District, und nachdem auch der zweite Versuch, mit einem Visum in die USA zu emigrieren, gescheitert war – diesmal an der Schlacht im Atlantik, durch die er keinen Schiffsplatz bekam (KimmeyJA 1979, S. 57, 60) –, besann sich Nachod wieder auf seinen ursprünglichen Beruf: Er begann vor allem Lieder und Oratorien zu singen, begleitet von der Pianistin Paula Adler, die mit ihrem Mann, dem Philosophen und Geiger Oskar Adler (dieser hatte in seiner Schulzeit in Wien zusammen mit seinem Freund Schönberg Quartett gespielt), im nahen Ambleside lebte (KimmeyJA 1979, S. 57). Nachod erhielt auch ein Permit als Gesangslehrer, hatte bald Erfolg und veranstaltete Vortragsabende seiner Schüler und Schülerinnen. Seit 1945 hielt er auch Vorträge über die Gesangskunst.

Nach Kriegsende wollte Nachod nicht nach Österreich zurückkehren, wofür das Free Austrian Movement warb, sondern er versuchte zum dritten Mal, in die USA zu gelangen. Schönberg stellte ihm am 15. Okt. 1945 ein neues Affidavit aus (KimmeyJA 1979, S. 121). Auch dies scheint wieder an praktischen Schwierigkeiten mit der Überfahrt gescheitert zu sein (KimmeyJA 1979, S. 70-72). Er zog wieder zurück nach London, vermutlich mit seiner Lebensgefährtin, mit der (und deren Sohn) er seit mindestens 1944 zusammenlebte (KimmeyJA 1979, S. 66) und die er anscheinend später heiratete (ÖStA NachodH, Hilfsfond-Akte, Schreiben vom 10. Okt. 1956). Im Sommer 1948 und zur Jahreswende 1952/1953 besuchte er Österreich für zwei bzw. sieben Wochen. In London soll er bis etwa 1950 als Gesangspädagoge gewirkt haben (http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_N/Nachod_Hans.xml).

Am 8. Aug. 1956 stellte Nachod wegen „sehr verminderter Arbeitsfähigkeit“infolge von Alter (er war 72 Jahre) und Krankheit einen Antrag auf Unterstützung beim Österreichischen Hilfsfonds für politisch Verfolgte, die ihren Wohnsitz im Ausland hatten (ÖStA NachodH, Hilfsfonds-Akte). Er war bis dahin auf Unterstützung vom National Assistance Board angewiesen. Ihm wurden £ 125 zuerkannt, aber es vergingen zwei Jahre, bis er die dringend benötigte Summe Ende 1958 auch tatsächlich erhielt.

Hans Nachod wohnte 1956 in 35 Ashford Court, London N. W. 2. 1958 zog er um ins Leo Baeck House, The Bishop’s Avenue, London N. 2. Zuletzt lebte er möglicherweise in Hendon (Middlesex). Er starb am 29. Juli 1965 mit 82 Jahren in London.

Hauptquellen: KimmeyJA 1979

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Hans Nachod (1883–1965) was an Austrian operatic tenor for whom his cousin Arnold Schoenberg created the role of Waldemar in his cantata Gurre-Lieder.[1]

Nachod was born in Vienna to a family of Jewish cantors.[2] He made his stage debut at the Volksoper in 1907 and remained a member of the ensemble to 1910.[1] He worked at theatres in Germany and in Prague.[2]

In 1939, Nachod escaped the Nazi Regime to London. His plans to move to the U.S. failed because of visa problems. He was interned for five months on the Isla of Man in 1940.[1] He was a voice teacher in London until around 1950.[2]

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He was born into a Jewish choirmaster's family and was a cousin of the famous composer Arnold Schönberg (1874-1951). In 1907 he began his stage career at the Vienna Volksoper, where he remained till 1910. In the 1910-1912 seasons he appeared at the Municipal Theatre in Mainz, in the 1912-1913 season at the Municipal Theatre in Kiel. From 1915 to 1923 he worked at the German Land Theatre in Prague, in the 1924-1925 season at the Municipal Theatre of Stettin. He made guest appearances at the Municipal Theatre in Graz (1909), at the Court Theatre in Wiesbaden (1911) at the Munich Court Opera, also in Amsterdam and Hague (1921). He was known as a concert singer and also as an interpreter of contemporary vocal works. Thus he sang on 23. 2. 1913 in the Vienna premiere of the "Gurrelieder" of Arnold Schönberg in the part of Waldemar and performed also in the Leipzig première of this work (1914). He lived later as a vocal pedagogue in London. His repertoire included among other things roles like Don José in ‘’Carmen’’, Erik in "Fliegenden Holländer", Walther von Stolzing in "Meistersingern".

Chronology of some appearances

1907-1910 Vienna Volksoper
1909 Graz Municipal Theatre
1910-1912 Mainz Municipal Theatre
1911 Wiesbaden Court Theatre
1912-1913 Kiel Municipal Theatre
1915-1923 Prague German Land Theatre
1921 Amsterdam, Hague
1924-1925 Stettin Municipal Theatre

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* 2.7.1883 Wien, † 29.7.1965 London. Sänger (Tenor). Der Cousin A. Schönbergs stammte aus einer jüdischen Kantorenfamilie. Debütierte 1907 an der Volksoper Wien, an der er bis 1910 engagiert war. 1910–12 war er in Mainz/D, 1912/13 in Kiel/D, 1915–23 in Prag (Deutsches Landestheater), 1924/25 in Stettin (Szczecin/PL) tätig. Gastspiele führten ihn u. a. nach Graz (1909), München (1911) und Amsterdam (1921). Als Konzertsänger setzte sich N. für die Moderne ein und wirkte im Verein für Kunst und Kultur (Ansorge-Verein) mit. Danach war er bis ca. 1950 Gesangspädagoge in London.

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